Immer mehr verlassen wir und unsere Kinder die reale Welt. Die Technologiesprünge der kürzeren Vergangenheit haben zu völlig neuen Anwendungsfeldern geführt. Die aktuellen Trends zeigen, dass die virtuelle Welt (in welcher Form auch immer) zukünftig noch mehr unser Leben beeinflussen wird. Im Folgenden wird die Bedeutung von Mixed Reality (XR) und Virtual Reality (VR) beschrieben und darauf eingegangen, welche Unterschiede die verschiedenen Technologien aufweisen.

Zu Beginn wird ein kurzer Einblick in die Ursprünge der virtuellen Realität gegeben. Den Hauptteil bilden die Beschreibung der technologischen Funktionsweisen und die entsprechenden Gegensätze. Zum Abschluss erfolgt eine Darstellung, welche der Technologien aktuell und zukünftig bei der Reiser Simulation and Training GmbH (RST) angewendet werden.

Ursprünge der virtuellen Realität

Die Anfänge der virtuellen Realität liegen im Jahr 1962. Zu dem Zeitpunkt wurde das erste immersive System durch Morton Heilig (von Beruf ein Kameramann) vorgestellt. „Immersiv“ leitet sich aus dem englischen Begriff „immersion“ ab. In das Deutsche übersetzt bedeutet es, dass ein Individuum in etwas „eintaucht“ oder sich in „einer Sache vertieft“. Es wird zwischen einer mentalen und einer physikalischen Immersion unterschieden.

Mental – Geistig taucht eine Person tief in eine Handlung ein. Das geschieht zum Beispiel beim Lesen eines spannenden Buchs oder wenn ein abenteuerlicher Film geschaut wird.

Physikalisch – Bestimmte Ein- und Ausgabegeräte sprechen mehrere Sinne einer Person an. Sie taucht damit in eine andere Welt ein. Zum Beispiel wird durch ein Head-Mounted-Display, bekannt auch als VR-Brille, die Realität ausgeblendet und der Anwender erfährt eine hohe physikalische Immersion, weil egal wohin er schaut, er sich immer in der virtuellen Realität befindet. Verstärkt werden kann das Ganze durch Audioausgabegeräte.

SensoromaSensorama von Morton Heilig
(Quellen links – U.S. Patent #3050870 und rechts – telepresence.com)

Das Sensorama wurde 1955 durch Morton Heilig spezifiziert und 1962 wurde der erste Prototyp veröffentlicht. Dieser gilt als Startschuss der Entwicklung der virtuellen Realität. Er war etwa so groß wie ein Spieleautomat. Verschiedenste Sinneseindrücke wurden mit ihm simuliert und er unterstützte unter anderem das heutzutage übliche Anzeigen von dreidimensionalen Inhalten – in Farbe sowie mit Wiedergabe von Stereosound. Das Sensorama war aber auch in der Lage Vibrationen, Gerüche oder beispielsweise Wind zu simulieren.

Die Telesphere Mask war ein erster Schritt in Richtung der uns heute bekannten VR-Brillen und wurde ebenfalls von Morton Heilig entwickelt. Sie wurde in Verbindung mit dem Sensorama genutzt und führte zu einer völlig neuen Bewegungsfreiheit und einem größeren Blickfeld für den Nutzer.

Telesphere Mask 2
Telesphere Mask von Morton Heilig
(Quelle U.S. Patent #2955156A)

 Sword of Democles
Sword of Damocles von Ivan Sutherland
(Quelle etsanggarp.blogspot.com)

 „The Sword of Damocles“ ähnelte der Telesphere Mask, jedoch hat Ivan Sutherland (Computerwissenschaftler) im Jahr 1966 das Gerät erstmalig mit einer Head-Tracking Technologie ausgestattet. Somit war die Grundlage zu den heute bekannten Interaktionslevels von VR-Brillen gelegt.

Funktionsweisen und Gegensätze

Nach einem kurzen Einblick in die geschichtlichen Ursprünge werden nachfolgend die Details zu den verschiedenen Begrifflichkeiten dargestellt.

Zur besseren Einordnung der verschiedenen Fachbegriffe ist das Realitäts-Virtualitäts-Kontinuum wichtig. Es beschreibt den stufenweisen Übergang von der reinen Realität bis hin zur computererzeugten, vollständig virtuellen Welt. Die Realität sowie die virtuelle Realität bilden die linke und rechte Grenze. Alle dazwischen liegenden Zustände werden der Mixed Reality zugeordnet. In diesen Bereich fallen die Augmented Reality (AR) und die Augmented Virtuality (AV).

Realitäts-Virtualitäts-Kontinuum

Realitaets Virtualitaets Kontinuum scaled

VR kann als computergenerierte Wirklichkeit bezeichnet werden. Mittels einer Grafik-Engine (Teil eines Computerprogramms zur Darstellung der Computergrafik) werden bei einer VR-Brille hochauflösende Bilder dem Nutzer direkt vor die Augen übertragen. Der Prozess wird als Rendern bezeichnet und hierbei werden 3D-Szenen in 2D-Bildfolgen umgewandelt. Die Brillen zeigen den Augen ein leicht versetztes Bild, wodurch im Kopf der dreidimensionale Eindruck entsteht (stereoskopisches Sehen). Um die hierfür notwendige Bildrate zu erreichen, sind leistungsstarke Grafikkarten notwendig. Zur Erhöhung der VR wird neben dem optischen Sinn auch das Gehör durch akustische Signale angesprochen.

Bei der AR wird eine reale Umgebung mit Eingaben wie Ton, Grafiken oder Videos erweitert bzw. ergänzt. In die bestehende Realität (unsere Umwelt) werden unter Zuhilfenahme von Geräten (z.B. Smartphone oder Tablet) digitale Inhalte eingebracht.

Mittels der Kameraaufnahmen und den entsprechenden Apps erfolgt eine Überlagerung digitaler Inhalte und der Umgebung. AR besitzt drei Merkmale:

  1. Verschmelzung der Realität mit virtuellen Elementen
  2. Interaktion in Echtzeit
  3. 3-Dimensional

 Anwendung mit einem NH90 Triebwerk

AV stellt das Gegenteil zur AR dar. Bei AV werden reale Objekte in eine virtuelle Welt eingefügt. Diese Objekte können auch durch den Anwender kontrolliert werden. Eine sehr einfache Anwendung ist in vielen Filmproduktionen zu sehen. Schauspieler treten vor einem Blue- oder Green-Screen auf. Softwarelösungen führen dazu, dass der Schauspieler schlussendlich in einer computergenerierten und virtuellen Welt gezeigt wird.

AV Anwendung mit Green-Screen

AV Anwendung Green Screen

All diese Techniken haben sich innerhalb der letzten Jahre stark weiterentwickelt, was auch zu einer erhöhten Nutzung in privaten Haushalten führte (überwiegend bei VR-Brillen der Fall). Die Anwendung von AR im Alltag nimmt ebenfalls immer mehr zu. Beispielsweise beim Übersetzen von Texten mittels einer Übersetzungs-App in Echtzeit. Weiterhin kommt AR in der Industrie zum Einsatz. Ein Techniker bekommt beispielsweise Installations- und Wartungsinformationen auf einer Brille eingeblendet. Das ermöglicht ihm unbekannte Geräte oder Maschinen intuitiv zu bedienen oder zu warten und damit seine Aufgaben effizient zu erledigen.

Technologien aktuell und zukünftig bei der RST

Im Rahmen der stetigen Optimierung der Full Flight Simulator Produktgruppe wurde vor einigen Jahren die AR Technologie erfolgreich implementiert.

Die virtuelle Welt 1080x675

 Bei den Full Flight Simulatoren trägt das 3. Crew Mitglied (Windenbediener) eine AR-Brille. Der Trainingsnutzen wird in der Form gesteigert, dass dem Windenbediener beim Blick aus der Hubschraubertür das Windenseil und die Person für die Bergung, ein Avatar, dargestellt wird. Der Avatar kann entsprechend den Eingaben an der Instructor Operator Station (Ausbilderplatz) Handzeichen geben, auf welche das 3. Crew Mitglied reagieren muss.

Derzeit gibt es verschiedene Entwicklungsprojekte bei der RST, um das bestehende Produktportfolio durch die etablierten Mixed Reality Technologien zu erweitern. Weiterhin werden neue Produkte entwickelt, um den umfangreichen Trainingsbedarf unserer Kunden zu decken. Wir möchten einen großen Teil dazu beitragen, die Zukunft der Trainingssysteme/-geräte zu gestalten, um die Realitätsnähe weiter zu steigern, aber auch durch deutlich kleinere Systeme anzubieten, um einen deutlichen Beitrag zur Flugsicherheit zu schaffen.


RST Metaversum 2024RST Metaversum 2024+

Gerne stehen wir bei Fragen zu diesem Thema zur Verfügung. Weiterhin wollen wir zukünftig zu neuen Aspekten in dem Themenfeld informieren.

Michael Holz
Ressortleiter Operatives Geschäft